Gedenktafel
»Ein feste Burg ist unser Gott, ein gute Wehr und Waffen«. Martin Luthers Nachdichtung des 46. Psalms ist in der Geschichte unterschiedlich interpretiert worden. Es war zu einem Erkennungslied der »Deutschen Christen« geworden,1 die Hitler unterstützten. Andererseits wurde es im Konzentrationslager gesungen: Als Trost und zur Stärkung des Glaubens und des Überlebenswillens.2 Es diente zur Begründung einer pazifistischen Haltung: Gott ist unsere Burg – andere Waffen brauchen wir nicht. Und es wurde als Kriegslied vereinnahmt, bis dahin, dass aus dem »Reich« Gottes, welches in der Schlusszeile angesprochen ist, das Deutsche »Reich« wurde.
Wenn nun unser Kirchenfenster das Gedenken an unsere Gefallenen an das Luther-Zitat anschließt, so könnte 1949 trutzig und trotzig eine »deutsch-christlich« inspirierte Auffassung dahintergestanden haben. Oder aber das Anliegen ist ein seelsorgerliches und tröstendes gewesen und knüpft an die pazifistische Lesart des Luther-Zitats an. Wir wissen nicht, wie die Autoren, wie Kirchenvorstand und Pfarrer 1949 die Worte verstanden wissen wollten. Uns ist aber heute, im Jahr 2023, wichtig, bei unserem Gedenken an die Opfer des Krieges und der Nazi-Verbrechen den Blick über die Gefallenen hinaus zu weiten. Das Unheil, das Deutschland über die Welt gebracht hat, ist schrecklich und erschreckend vielfältig.
Indem wir uns erinnern3 und zur Erinnerung anregen, stehen wir dafür ein, dass Menschenrechte nicht verhandelbar sind und menschenverachtende Gedanken, Ideen und Handlungen nirgendwo Platz haben dürfen.
Der Kirchenvorstand ergänzt am Volkstrauertag 2023 das Gedenken im Kirchenfenster um diese Tafel.
(1) Vgl. Reinhard Staats, Zur politischen Wirkung von Luthers Lied »Ein feste Burg« …, in: Festschrift für G. Heintze. bs.cyty.com/kirche-von-unten/archiv/gesch/fs90heintze/Staats-Luthers-Lied.htm, abgerufen am 19. 09. 2023
(2) Vgl. Ulrich Prehn, »Ein feste Burg«? Inanspruchnahmen Martin Luthers im nationalsozialistischen Deutschland, www.evangelisch.de/inhalte/159552/26-08-2019/martin-luther-im-nationalsozialismus, abgerufen am 19. 09. 2023
(3) Unser Gedenken ist angelehnt an das »Totengedenken« des Deutschen Bundestages an den Volkstrauertagen.